Für das Wort Scheitern finden sich solche Synonyme im Wörterbuch: Versagen, eine Niederlage erleiden, Misserfolg, fehlschlagen, missglücken, gegen die Wand fahren, Abfuhr erhalten. Und noch viel mehr. Klingt erstmal niederschmetternd.
Welche Bedeutung hat das Scheitern für mich und für mein Umfeld? Und in unserer Gesellschaft? Ich habe gelesen, dass ein Misserfolg in kaum einem anderen Land so geächtet wird wie bei uns. Dass das in den USA beispielsweise ganz anders sei.
In der Tat beobachte ich bei Menschen oft eine große Angst davor zu scheitern oder etwas falsch zu machen. Was unweigerlich dazu führt, dass sie es gar nicht erst wagen, ihre Träume zu verwirklichen oder Risiken einzugehen. Sie verlernen damit auch ihrer Intuition zu folgen oder auf ihr Herz zu hören. Mit der einfachen Frage "Was wäre denn das Schlimmste was passieren kann, wenn Du dabei scheiterst?“ ist es möglich Einiges zu bewegen, bestenfalls (auf)zulösen. Ich erlebe in meinen Beratungsgesprächen nicht selten, dass allein bei dem Versuch das befürchtete „Schlimmste“ genauer zu beschreiben, die Bedrohlichkeit schon an Kraft verliert.
Was ist Scheitern?
- Hinfallen? Dann kann ich doch wieder aufstehen.
- Die Umsetzung einer Herzensidee oder einer beruflichen Herausforderung, die aber nicht zum erhofften Erfolg führt? Dann habe ich doch viel dazu gelernt, oder es führt mich unverhofft zu etwas anderem, was womöglich passender für mich ist.
- Einer Liebe folgen, die sich nicht zu dem entwickelt, was ich mir sehnlichst wünsche? Auch den Schmerz überlebe ich. Das ist das Leben. Und das zeigt mir doch vor allem wie tief ich fühlen kann.
Für mich klingt das Wort „Scheitern“ sehr (selbst)verurteilend. Es hat so was Finales. Machen wir nicht einfach gelegentlich Fehler oder schlechte Erfahrungen? Was ja unbedingt zum Leben dazu gehört, normal ist. Kann unangenehm sogar leidvoll sein. Aber gerade so lernen wir doch, durch Fehler und Erfahrungen.
Ich weiß selbst auch genau, wie es sich anfühlt, wenn meine eigenen Erwartungen oder Idealvorstellungen gnadenlos auf eine Realität stoßen, die ich nicht (wahr)haben will. Rückblickend jedoch waren solche Momente auch ein starker Impuls für einen Anfang von etwas Anderem.
Die Angst davor Fehler zu machen oder gar alles immer „richtig“ machen zu wollen lähmt uns. Diese Angst blockiert somit nicht nur unsere eigene Weiterentwicklung, sondern auch den Mikrokosmos um uns herum. Sie verhindert, dass wir echt sind und unser volles Potential entfalten können - für uns selbst und damit auch für andere.
Niemand ist perfekt. Ich möchte auch gar nicht unbedingt alles richtig machen. Zumal das ja voraussetzen würde, dass es eine höhere Instanz gibt, die sagt was „richtig“ ist. Und die gibt es (zum Glück) nicht! Wenn überhaupt ist diese Instanz meine eigene Intuition. Ich möchte möglichst viel GUT machen, aber eben ohne den lähmenden Druck Fehler zu vermeiden. Ehrlich gesagt bin ich dankbar, Fehler machen zu dürfen. Und bei einem vermeintlichen „Scheitern" bekomme ich ja auch viel geschenkt: Wichtige Erkenntnisse und einen fruchtbaren Nährboden zum Wachsen!
Scheitern als Lehrmeister
"Scheitern kann ein größerer Lehrmeister sein als der Erfolg“. Diesen Satz habe ich neulich entdeckt. Finde ihn schön, weil die Worte ermutigen. Sie sind eine Einladung zu vertrauen und intuitiv den Weg zu gehen, der für mich jetzt genau der richtige ist. Dabei darf meine Sorge ich könne scheitern (die man eben nicht einfach so ausknipsen kann) gerne noch eine Weile mitgehen. Aber ich muss sie gar nicht so ernst nehmen. Nicht immer, aber meistens biegt die Angst irgendwann von selbst ab und lässt mich ohne sie weiter ziehen.